Ehrenamtliche Tätigkeit macht meistens Freude. Manchmal erhält man darüber die Gelegenheit, etwas Besonderes kennenzulernen. Über die Hessische Fachstelle der öffentlichen Bibliotheken bekamen wir eine Einladung, die Bibliothek der Europäischen Zentralbank zu besichtigen. Das taten wir an einem ziemlich verregneten Tag Anfang September. Der bekannte Turm war auch vom Parkhaus her nicht zu verfehlen. Nach einem Sicherheitscheck wie am Flughafen durften wir das Gelände betreten, wo als erstes ein „Goldbaum“ und viele Esskastanien mit reifen Früchten auffielen *f). Im Eingangsbereich hingen die Fahnen der 20 Staaten, die den €uro als Währung haben: Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Zypern.

Svetlana, die Bibliothekarin, die uns führte, zeigte zuerst einige Räume und exemplarische architektonische Blickpunkte, bevor es in die Bibliothek ging. Diese befindet sich auf derselben Ebene wie die Cafeteria. Beide Räume gehen ineinander über. Auf diese Weise will man die Menschen „reinholen“. Sie können dort lesen, Kaffee trinken, Schach spielen oder Events veranstalten. Die Bücherei hat viel Platz und ist auch dafür gedacht, dort zu zu arbeiten. Im Zuge der Modernisierung vor einigen Jahren wurden 17 „Magische Inseln“ geschaffen. Es gibt angeschlossene Konferenzräume und einen „Stille-Raum“. Einer dieser Räume ist in verschiedenen Grüntönen gehalten. Er wurde in letzter Zeit mehrfach als „Nachtraum“ genutzt, um „KI generierte Probleme zu lösen“. Geplant sind noch eine Vielzahl an Arbeitsplätzen als „Open Space“. Die Ausleihe der Bücher erfolgt per App.
In erster Linie ist die Bibliothek für die Mitarbeiter der EZB gedacht, kann aber auch für wissenschaftliche Zwecke von Menschen genutzt werden, die von außerhalb kommen. Sie umfasst derzeit 75.000 Bücher.
Die Bücher sind vorwiegend in englischer Sprache, aber in kleinerem Umfang auch in allen Sprachen der Mitgliedsländer vorhanden. Die EZB betreibt eine Spezialbibliothek zu den Themen Preisstabilität – Bankenaufsicht. Die Bücher spiegeln die die Hauptaufgaben der Europäischen Zentralbank. Diese bestehen darin, die Preisstabilität im Euroraum zu gewährleisten mit dem Ziel, eine Inflationsrate von 2% zu erreichen. Weitere Aufgaben sind die Geldpolitik, die Durchführung von Devisengeschäften, das Halten und Verwalten der Währungsreserven der Mitgliedsstaaten, die Förderung reibungsloser Zahlungssysteme sowie die Bankenaufsicht über bedeutende Banken im €uroraum.*1)
Wir sahen die Mooswand, vor der Christine Lagarde, seit 1. 11. 2019 offizielle Präsidentin der EZB, gerne Pressevertreter empfängt. Der abgebildete Konferenzraum ist nur eine Imitation des echten Konferenzraumes für die Vertreter der Mitgliedsländer im 5. Stock.


Die EZB wurde auf dem Gelände errichtet, auf dem 1928 die Frankfurter Großmarkthalle gebaut worden war. Da die Großmarkthalle Denkmal geschützt ist, steht sie noch immer, aber vollkommen – und wie ich finde sehr gut – in das neue Gebäude integriert. In den Fenstern setzte sich damals der Erbauer Martin Elsässer selbst ein Denkmal.*2)
Ich habe persönliche Erinnerungen an die Frankfurter Großmarkthalle in der Zeit von 1980 bis etwa 1995, in der ich gelegentlich dort einkaufte. Als Neuling musste man auf den Außenparkplätzen (wo jetzt die „Wildnis“ wächst) höllisch aufpassen, um nicht überfahren zu werden. Auch drinnen waren die Transportfahrer nicht zimperlich. Richtung Main existierte eine damals noch befahrene Gleisanlage, auf der oft Züge aus Italien ausgeladen wurden. Die Produkte wurden dann im Keller in kundengerechte Größen gepackt. Wegen der vielen Mäuse jagten dort auch noch Katzen. Sie wurden später durch Chemie ersetzt. Im sieben Stockwerke hohen Verwaltungsgebäude gab es einen Paternoster*) , den ich gerne benutzt habe. Er existiert noch, man darf aber nicht mehr in ihm fahren, nur alle paar Jahre zur Überprüfung seiner Funktionsfähigkeit. Als Kind kannte ich etliche Paternoster; und wir haben immer gerätselt, ob man im obersten Stockwerk auf den Kopf gestellt wird. Deshalb sind wir stets vorher ausgestiegen. Im Großmarkt musste man im sechsten Stock immer aussteigen. Zur im siebten Stock ansässigen Israelischen Frucht-Import-Gesellschaft kam man nur nach Kontrolle und mit Geleitschutz über die Treppe.
Noch einige Fotos zum Abschluss:
*1)ecb.europa.eu/ecb/orga/tasks/html/index.de.html
*2) elsaesser.dff.film/archive/das-neue-frankfurt-im-film
*f)

Alle Fotos Eveline Renell